Freitag, 25. September 2015

Küchenpartisan on Tour - Wursten à la Gaumenwerk & Fleischerei Scheller


 
Die Warteliste für das Wurstseminar von Carsten Scheller ist lang, sehr lang. Immer mehr Menschen möchten fast vergessene Techniken erlernen. Sie möchten erfahren, sehen, hören und schmecken, aus was wirklich gute Lebensmittel hergestellt werden.

Um es vorwegzunehmen - Das Warten hat sich gelohnt. Fast 6 Monate hat es gedauert und gestern Abend war es dann soweit: Wurstseminar im Gaumenwerk der Fleischerei Scheller!

In einer gemütlichen Runde erfuhren wir viele Interessante Details über die Lieferanten der Fleischerei Scheller. Sowohl gute Haltungsbedingungen und Fütterung, kurze Wege zu lokalen handwerklichen Schlachtern und eine liebevolle Verarbeitung  kennzeichnen das von Carsten Scheller und seinem Team verarbeitete Rindfleisch vom  roten Höhenvieh und vom Salzwiesenkalb.

Mit dem roten Höhenvieh landet sogar eine alte deutsche Rasse (Dreinutzungsrind). Der  Verein zur Förderung des Roten Höhenviehs im Weserbergland e.V. leistet dabei einen tollen Anteil an der Erhaltung dieser leider vom Aussterben bedrohten Nutztierrasse (Rote Liste der GEH: Klasse II - stark gefährdet).

Auch die Blonde d`Aquitaine - liebevoll Blondi's genannt - dürfen auf dem Adrianenhof  viel frische Nordseeluft schnuppern und  friedlich auf den Salzwiesen und Deichen grasen. Das Angebot Carsten beim nächsten Besuch zu begleiten und mir das ganze vor Ort anzusehen nehme ich sehr gerne war. Einziges Manko für mich ist die Entfernung. Der Adrianenhof liegt mit 250 km Entfernung leider nicht innerhalb meines Regionalradius. 

Carsten erklärte was hinter der Marke Eichenhof steht. Eichenhof ist die Premiummarke der EGO (Erzeugergemeinschaft Osnabrück e.G.).  In den letzten 30 Jahren haben sich hier rund 500 Betriebe aus der Umgebung von Osnabrück zu einer Genossenschaft zusammen geschlossen. Etwa 240 davon mästen ca. 350.000 Schweine pro Jahr die unter dem Eichenhoflabel vermarktet werden. Die teilnehmenden Betriebe haben sich verpflichtet freiwillig die Richtlinien der EGO einzuhalten. Die Anforderungen sind deutlich höher als in der konventionellen Tierhaltung, liegen allerdings noch deutlich unter den Anforderungen der Bio Label und Bio Organisationen. Auch zu brisanten Themen wie Haltungsbedingungen, Kastration der Eber  oder das Kupieren der Schwänze gab Carsten kompetent Auskunft.

Das Endprodukt Eichenhof-Schweinefleisch ist ohne Frage von hervorragender Qualität. An den Haltungsbedingungen sollte meines Erachtens nach noch gearbeitet werden. Großartig wäre es wenn die Fleischerei Scheller für die Zukunft ähnliche Lieferanten wie beim Rindfleisch finden könnte.

Begleitet wurde dieser spannende Teil des Abends von leckeren  Spezialitäten aus der Schlachterei. Neben "normalen" Leckereien wie diversen Schinkenvariationen, Fenchelsalami und Zwiebelfleisch  verwöhnte uns Carsten auch mit von ihm hergestellten internationalen Spezialitäten. Das Pastramie war echt klasse und das Vitello Tonato wirklich großartig.

Auch für - O-Ton Carsten Scheller - "fortgeschrittene Zungen" gab es Leckeres zu entdecken. Seinen  Salami Jam, das Rote Beete Chutney und die Paprika Marmelade werde ich auf jeden Fall in meiner heimischen Küche nachkochen!

Nach dem Ausflug in die Theorie ging es in die Fleischerei. Es galt eine Schweinehälfte zu zerlegen und nebenbei auch noch ordentlich Wissen einzusaugen. Carsten erklärte Handelsklassifizierungen und die Kennzeichnungen auf der Schweinehälfte. 

Copyright: Claudia Becker www.videotextbild.de
Beim Zerlegen wurden uns die verschiedenen Zuschnitte (Neudeutsch: Cuts) und die Verwendung der einzelnen Stücke anschaulich erklärt. Besonders gefallen dabei hat mir, dass Carsten immer wieder auf alte Rezepte und Zubereitungsmethoden verwies, die heutzutage kaum noch verwendet werden. Gerade in Hinblick auf die gebotene komplette Verwertung eines Tieres sollte man sich damit unbedingt mehr auseinander setzen. Eine kleine Serie mit vergessenen Zuschnitten und Rezepten folgt in Kürze!

Da wir auch zwei BBQ Cracks von den Charcoal Workers e.V. dabei hatten, entwickelten sich auch immer wieder hoch interessante Ausflüge in die Grillszene mit ihren speziellen Cuts, die durch die immer stärker werdende Barbecue Welle aus den USA zu uns kommen.

Anmerkung: Apropos Charcoal Workers --> Anschauen lohnt sich! Toller Grillverein der sich karitativ engagiert
Gleich vormerken:  Nächster Charity Event am 05.12.2015 auf dem Georgsplatz in Hannover.

Das Schwein ist zerlegt also: Frisch Gesellen seid zur Hand!  Der Schweiß rann uns zum Glück nicht von der Stirn, gelobt wurden wir vom Meister trotzdem. Wurst machen war angesagt.


Eine grobe rohe Bratwurst
(mit ein paar kleinen Frikadellen als Bratprobe - Echt Mjammi!)
Copyright: Claudia Becker www.videotextbild.de













  • Fleisch in handliche Stücke schneiden,
  • Gewürze, Kräuter und etwas Flüssigkeit in Form eines leckeren Rotweins einkneten
Der Meister sagt: Kneten bis man den Rotwein riecht - riecht man den Rotwein nicht weiterkneten oder mehr Rotwein … Prost ;O)
Der Meister sagt auch: Noch besser wird es mit mehr Zeit: Das eingelegte Fleisch über Nacht marinieren lassen!
  • Alles grob durch den Wolf lassen (5mm Vorsatz)
  • Brät in die Wurstpresse geben
  • Schafsdarm aufziehen (Darm vorher bis zu 12 Stunden wässern)
  • Pressen
  • Darm möglichst ohne Lufteinschlüsse mit dem Brät füllen, nicht zu fest sonst platzt der Darm
  • Nach dem Füllen auf gewünschte Länge ablängen (20-25cm)

Tipp: Wurstmasse etwas bei Seite schieben und mit  Daumen und Zeigefinger beide Seiten festhalten; dann 4-5 mal drehen


Als nächstes war dann die Mettwurst dran
Gleiches Prinzip wie bei der Bratwurst
  • Fleisch in handliche Stücke schneiden,
  • Fleisch mit Gewürzen vermischen,
  • Durch den Wolf lassen (etwas feiner 3mm Vorsatz)
  • Darm füllen - diesmal ein Rinderkranzdarm (schließlich wollen wir ja eine ordentliche dicke Mettwurst)
  • Ring legen,
  • Mit Wurstfaden abbinden ,
  • Zum Trocknen aufhängen (möglichst unter 8°C, min. 80% Luftfeuchte) … und nach einer Woche abholen


Beim Zerlegen der Schweinehälfte fehlte der Kopf und das hatte natürlich auch einen Grund. Für eine gute gekochte Leberwurst braucht es neben anderen Fleischstücken auch die leckeren Backen aus dem gepökelten Schweinekopf. Nachdem der Kopf fachmännisch zerlegt war und wir alle die Bäckchen probieren durften ging es an die Herstellung unserer ersten eigenen Leberwurst.

Copyright: Claudia Becker www.videotextbild.de














Wir hatten bei der Bratwurst und Mettwurstherstellung schon Fleischstücken vorbereitet, die parallel zu unserer Wurstverarbeitung gekocht wurden. Neben diesen Stücken und den ausgelösten Teilen aus dem Schweinekopf  gehört in eine Leberwurst natürlich noch Leber.
  • Mindestens 10% (darunter gibt es eine Knappwurst) Leber müssen in der Leberwurst sein. Wir haben ca. 20% verwendet. Die Leber wurde ebenfalls in Stücke geschnitten.
  • Fleisch-, Leberstücke, Gewürzen und Fleischsaft der beim Kochen entstanden ist fein durch den Wolf drehen
  • In Gläser füllen und verschließen
  • Bei max. 80°C für ca. eine Stunde ins Wasserbad (nicht wärmer, sonst besteht die Gefahr, dass die Masse sich wieder trennt)

  • … und fertig ist die Leberwurst - ca. 3 Monate im Kühlschrank haltbar.


Natürlich mussten wir die selbst hergestellte Bratwurst auch gleich verkosten. Zusammen mit etwas leckerem Bratgemüse zauberte Carsten uns ein "kleines" Abschlussessen … und um die Zubereitungszeit nicht zu lang werden zu lassen gab es noch zwei weitere Highlights:

Chili Blutwurst mit richtig Bumms und Speck vom Mangalitza Schwein. Oh my God - was ein geiles Zeug! Zerschmilzt im Mund - gut dass ich jetzt das Passwort kenne um den Speck zu kaufen.

Viel zu schnell war der Abend zu Ende - über 5 Stunden … wo ist bloß die Zeit geblieben? Mit einem großen Carepaket ausgestattet, bestehend aus der selbstgemachten Bratwurst, einer guten Portion Schnitzel und Kotelett endete der Abend.

Alles in allem ein fantastisches Erlebnis, das nach mehr schreit!

Die Bilder in diesem Artikel wurden mir freundlicher Weise von Frau Claudia Becker (www.videotextbild.de) zur Verfügung gestellt. Sie hat einen wirklich sehr schönen Film über das Fleischerhandwerk und die  Fleischerei Scheller /Gaumenwerk gedreht.